Nicole Thomas – 6. Juni 2022

Gostenhof

„Herzlich willkommen in Gostenhof!“ So begrüßt mich meine Lieblings-Nicole an der U-Bahn-Haltestelle Gostenhof, wo wir uns zu einer Texthaus trifft Nürnberg-Runde treffen. Nicole Thomas ist eine gute Freundin, die mir in schwierigen Zeiten zur Seite stand und die ich in meinem Leben nicht missen möchte. Sie liebt das bunte Leben in Gostenhof, kennt natürlich auch die Herausforderungen ihres Stadtteils. Aber, so sagt sie, „wir erkunden Gostenhof dann mal gemeinsam.“ Denn sie würde hauptsächlich den Weg von der U-Bahn nach Hause kennen. Das konnte ich vor unserem Spaziergang vielleicht ein wenig glauben. Danach nicht mehr. Aber jetzt biegen wir erst einmal in die mittlere Kanalstraße ein, durch die wir auf das Nürnberger Ei blicken, auf den Nürnberger Fernmeldeturm. Das erinnert mich an meine Texthaus trifft Nürnberg-Runde mit Jana und Gregor. Doch wir schauen uns nun als erstes den Jamnitzer Platz an, der gerade sehr schön gestaltet wurde. Ich habe diesen Park in der Vergangenheit als eher verwaist in Erinnerung. Dank der gelungenen Umgestaltung wird er jetzt viel intensiver genutzt. So scheint es mir zumindest an diesem Nachmittag und Nicole erlebt das genauso.

Wasserspielplatz Gostenhof
Wasserspielplatz Gostenhof

Jamnitzer Platz

Es gibt jetzt einen Wasserspielplatz mit einigen Fontänen. Gerade war ein kleiner Junge da und hat einfach seinen Kopf in das Wasser gehalten. Eine praktische Erfrischungsmöglichkeit an warmen Tagen. Weiter hinten war früher ein Klettergerüst, an dem die Kinder gespielt haben. Dort ist jetzt eine Wiese mit frisch gepflanzten, ziemlich großen Bäumen. Die Tischtennisplatten, die es früher auch schon gab, wurden im Park umverteilt. Ansonsten gab es hier früher kaum Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten. Heute gibt es ein neues Basketballfeld, auf dem man auch König Fußball und anderen Ballsportarten frönen kann. Super sehen die Klettergerüste für die Kleinen aus und auch die Sportgeräte für die Großen sind toll. Es wirkt alles sehr aufgeräumt und gepflegt. Außerdem gibt es breite Mauern, auf denen man sitzen kann. Sie wurden mit Lichtstreifen versehen, die im Dunklen leuchten, sodass keiner drüber fällt, der sich hier nachts aufhält.

Gostenhof – ein kommunikativer Stadtteil

Wir gehen rechtsrum in die Austraße. Nicht ohne vorher einen Blick auf einen kleinen Laden zu werfen, der leider leer steht. Dort gab es früher Nähzubehör und Stoffe, aber leider fand sich kein neuer Betreiber für das Geschäft. Gegenüber sitzen ein paar Leute vor der Tür einer Gaststätte. Das verbreitet ein bisschen sommerliches Flair. Gostenhof scheint ein kommunikativer Stadtteil zu sein. In der Austraße gibt es ein paar kleine grüne Oasen zu entdecken, richtige Schmuckstücke. Wir sehen eine wunderschöne Tür in Holz auf der linken Seite, auf der rechten Seite ein fröhlich-bunt gestaltetes Eingangstor. Vielfalt wird hier großgeschrieben und Graffiti-Wände – in unterschiedlichster Ausprägung – gehören natürlich auch zum Straßenbild.

Wir kommen an dem Aktivspielplatz Gostenhof, den ich nach kurzem Zögern wiedererkenne, denn ich habe schon mal ein wenig über diesen Platz geschrieben – und zwar in meinem Buch „Die ungleichen Schwestern“ in dem Beitrag über Margaretha Maria Mayr, die hier mit den Kindern Mosaike gestaltet hat und von der sicherlich auch das schöne Mosaikschild stammt, das am Eingang hängt. Auf dem Aktivspielplatz Gostenhof waren auch Nicoles vier Patenkinder häufig. Ab der ersten Klasse werden Kinder hier kostenfrei betreut. Sie können hier chillen, sie können werkeln oder auch einfach nur draußen spielen. Um die Ecke, man kann es von der Straße aus nicht sehen, ist ein Areal, das man früher wohl Abenteuerspielplatz genannt hätte. Dort wird gehämmert, gesägt und gebaut. Das Haus hat nette blaue Fensterläden und unten ein großes Graffiti, bei dem ich mich frage, wie es kommt, dass das Blau vom Graffiti mit den Fensterläden so gut harmoniert? Ist das eine Auftragsarbeit? Nun, wohl eher nicht, aber ich finde es trotzdem witzig.

Vielfalt und Kunst in Gostenhof

Zwischen der Austraße und den angrenzenden Gleisen auf der linken Seite, wir gehen in westliche Richtung, kann man einen Blick auf das Bahndepot werfen, das Nicole nachts mit seinem Zugverkehr des Öfteren den Schlaf raubt. Zwischen Straße und Bahnschienen gibt es doppelt eingezäunte und aufwendig gestaltete Basketballplätze für die Jugendlichen. Ein Angebot, dass wohl gut angenommen wird. Wir wechseln die Straßenseite, weil Nicole mir ein Antiquariat zeigt, das auch Antiquitäten führt. Ich entdecke einen Ring und fotografiere gleich die Telefonnummer. Vielleicht komme ich ja dazu, dort anzurufen. Der Ring interessiert mich wirklich. Doch heute, an einem Feiertag, ist ja leider geschlossen. Noch ein Stückchen weiter kommen wir zum Gostner Hoftheater. Wir werfen einen Blick in den wirklich wunderschönen Hof und bewundern ausgiebig die fantastische Begrünung des Hauses und des Nachbargebäudes. Der beachtlich große Weinstock scheint in einem ganz kleinen Stückchen Erdreich zu wurzeln. Man kann nicht so genau identifizieren, wo der Wein die Energie herbekommt, das ganze Haus zu begrünen. Das ist faszinierend und wunderschön.

Kreative Party-Zone

Die Austraße glänzt auf voller Länge mit enormer Vielfalt und vielen schönen Details. Aber leider liegt auch sehr viel Müll herum. Ein Fall für SÖR? Ich vermute mal, dass SÖR hier schon aktiv ist, dass aber mal wieder die Ressourcen nicht reichen. Da wäre es wohl am besten, den Müll hier gar nicht erst hinzuwerfen, nicht wahr? Das wäre nicht schlecht, dann würden die Schönheiten hier noch viel mehr zur Geltung kommen. Wir haben auf der Mauer, die das Bahngelände von der Straße abgrenzt, tolle Graffitis entdeckt. Ein paar davon sind augenscheinlich schon älter, aber immer noch sehr witzig, eigenständig und charaktervoll. Zwischendurch belustigt uns eine Party-Zone mit einem Kronleuchter, der im Baum hängt.

Sandsteinfassaden und Kunststoffschindeln

Manche der Häuser sind außerordentlich liebevoll gepflegt. Da tut es einem weh, wenn auf der Wand gleich wieder ein Graffiti prangt, das nicht in den Bereich Kunst fällt. Ansonsten mag ich ja ganz gern Graffitis, aber sie müssen nicht überall sein. Andere Häuser sehen so aus, als ob die Leute da nur vorübergehend wohnen und sich schon beim Einzug auf den Auszug vorbereiten. So lieblos können Häuser sein. Es ist tatsächlich extrem unterschiedlich. Von der Bausubstanz her sind hier alle Epochen vertreten. Herrliche Sandsteinfassaden wechseln ab mit Häusern, die mit irgendwelchen Schindeln aus irgendeinem Kunststoff verkleidet wurden. Wahrscheinlich lässt sich so die Rendite optimieren. Schön ist anders. Wir biegen jetzt rechts ab in die Feuerleinstraße und sehen gegenüber schon das Gericht hervorblitzen.

Grüne Oasen an der Bahnlinie

Vorhin sind wir in das westliche Stück der Adam-Klein-Straße gewechselt, an deren Ende auch Gostenhof endet. Ich werfe noch einmal einen Blick auf die kuscheligen Schrebergärten, die sich hier an das Bahngelände schmiegen. Kleine grüne Oasen, bestimmt sehr idyllisch, aber man kann sie leider nicht so fotografieren, weil die Zäune so hoch sind. Was man ja auch verstehen kann. Den Krach der Bahn, der Nicole nachts wach hält, hört man übrigens bis hier. Das ist ein unangenehm schleifendes Geräusch. Es geht einem durch Mark und Bein! Wenn Nicole es nachts hört, hat sie immer das Gefühl, sie säße im Zug.

Kaffeepause

Jetzt gehen wir links rein in die Beckstraße und bewegen uns auf das Gerichtsgebäude mit der wunderschönen Trauerweide zu. Stadtteilübergreifend fotografieren wir es auf der anderen Straßenseite. Aber noch gehen wir nicht über die Straße, sondern schlendern an einem Neubau vorbei, der hier nicht ganz unumstritten war. Ich finde ihn eigentlich ganz angenehm. Er ist relativ neutral, fügt sich gut in das Straßenbild ein und vor allem ist der Bürgersteig links und rechts von Grünflächen flankiert. Der Fahrradweg führt jenseits der Grünflächen neben der Straße entlang. Ich finde das super gelöst, mir gefällt es.

Schließlich wechseln wir die Straßenseite und verlassen ganz kurz Gostenhof. Dort gibt es nämlich eine kleine Eisdiele, in der auch ein guter Kaffee angeboten wird: Eis im Glück. Das leckere Zitronen-Zimt-Eis ist uns willkommen. Draußen sind einige Tische. Wir haben Glück, sitzen erstens unter einem großen Sonnenschirm und zweitens regnet es nicht. Es ist allerdings etwas bedeckt und zwischendurch hatten wir auch schon ein paar kleine Regentropfen abbekommen. Wir machen eine ausgiebige Kaffeepause, ich nutze die Gelegenheit und stricke ein wenig. Natürlich haben wir viel zu besprechen, das ist einfach so mit der Lieblings-Nicole, man kommt vom einen zum anderen.

St. Anton in Gostenhof

Als wir uns wieder auf den Weg machen, zeigt Nicole mir eine Kirche, die ich bislang nicht entdeckt hatte. Ich kannte hier nur die Dreieinigkeitskirche. Doch nicht weit entfernt ist die katholische Kirche Sankt Anton. Auffällig ist der äußere Eingangsbereich, über dem sich ein kleines Gewölbe befindet, dessen Streben weiß sind, das aber ansonsten blau ausgemalt und mit goldenen Sternen verziert ist. Ein Schwan mit drei kleinen Schwänen ist daneben angebracht, ebenfalls in Blau und Weiß. Wir gehen in die Kirche, es riecht intensiv nach Weihrauch, was ich ja sehr schätze. Insgesamt macht die Kirche einen eher düsteren Eindruck. Die schön gestalteten Fenster fallen uns auf. Und wir überlegen uns, ob man zu dem Schild, das die Kinder auffordert, sich Bücher auszuleihen und sie auch wieder zurückzubringen, vielleicht mal ein paar Kinderbücher aussetzen könnte. Im Moment sind dort nur Gesangbücher zu finden, was vielleicht nicht ganz so verlockend und abwechslungsreich für Kinder ist.

Immer wieder kleine Treffpunkte für die Menschen

Wir schlendern weiter, kommen vorbei an dem Kinderhort, der wohl zu der Kirchengemeinde gehört, entdecken eine fröhlich-bunte Baumscheibe und einige Häuser, die wirklich sehr hübsch und gepflegt sind. Ein Stückchen weiter biegen wir links ab, kommen in die Kernstraße und entdecken an der Straßenecke den Laden „Design und Lampe“. Schaut man sich an, was es dort zu kaufen gibt, sind es meistens Dinge, die ich zuhause ganz bestimmt nicht haben möchte, die aber in so einem Geschäft ihre eigene Geschichte erzählen. Vieles weckt auch Erinnerungen an vergangene Jahrzehnte, manches kennt man, manches hat man als Kind oder jüngerer Mensch in ähnlicher Form selber besessen. Schließlich kommen wir auch noch an dem Nachbarschaftshaus vorbei, in dem ich früher mit meinem Mann oft in der Angehörigenberatung war.

Ein Stückchen weiter ist die Dreieinigkeitskirche. Auf dem Kirchhof gibt es am Donnerstag immer einen kleinen Markt, an den ich mich gern erinnere. Genau wie an den kleinen Weihnachtsmarkt, der zumindest in Vor-Corona-Zeiten sehr romantisch gestaltet war. Auf der anderen Seite der Kirche war früher einfach nur eine Grasfläche, die kaum genutzt wurde. Der Bereich wurde inzwischen attraktiv verschönert. Es sind viele Menschen da, ähnlich wie auf dem Spielplatz am Jamnitzer Park, den wir am Anfang angeschaut haben. Wenn etwas getan wird für die Menschen, wird es auch angenommen. Hinter der Dreieinigkeitskirche befindet sich übrigens auch das Winterhaus des Aktivspielplatzes. Es ist bunt bemalt und am Schornstein sieht man Max und Moritz, die mit einer Angel anscheinend nach Brathähnchen fischen. Wer weiß … Am anderen Ende der Wiese steht ein Bücherschrank, wie er an vielen Orten zu finden ist. Wie schön wenn die Bücher immer wieder eine neue Heimat finden.

Wie aus früheren Zeiten: Rio Palast und Süßigkeitenverkäufer

Nostalgie

Wir gehen an der Hauptstraße noch ein Stück Richtung Osten und kommen an einer kleinen Dependence der Stadtbibliothek vorbei, es ist die Stadtteilbibliothek Gostenhof. Wir vermuten, dass dort vor allem Kinder angesprochen werden, sind uns aber nicht ganz sicher. Der nächste Höhepunkt unserer Tour ist der Rio Palast, ein altes Kino, das heute eine Corona-Teststation beherbergt. Als ich dort regelmäßig vorbeiging, war es noch ein Kino. Es ist schon etwas schade, wenn so eine Ära vorübergeht. Aber wer weiß, vielleicht wird es ja irgendwann wiederbelebt. Plötzlich sehe ich noch ein ganz anderes Highlight! Hier gibt es einen älteren Herrn, der auf einem Fahrradanhänger ganz viele zuckersüße Dauerlutscher durch die Gegend fährt und natürlich auch zum Verkauf anbietet. Auch Liebesäpfel sieht man schon von weitem rot leuchten. All das ist bestimmt nicht gut für die Zähne, lässt aber Kinderherzen höher schlagen und vermutlich auch die vieler Erwachsenen.

Mit der Lieblings-Nicole wurde mein 16. Texthaus trifft Nürnberg-Nachmittag wieder wunderschön, gemütlich beim Plausch und immer wieder überraschend. Vielen Dank! Ich freue mich jetzt schon auf andere Stadtteile und Erlebnisse. Wer mag noch mitmachen?