Christian Vogel – 15. Juni 2022

Herpersdorf und Worzeldorf

Texthaus trifft Nürnberg mit Bürgermeister Christian Vogel

An diesem sonnigen Junitag freue ich mich ganz besonders über mein Neun-Euro-Ticket, steige auch an der richtigen Bushaltestelle in Herpersdorf aus. Mein Ziel ist die Straße An der Radrunde Nummer 15. Klare Sache, raus aus dem Bus, aufs Handy geguckt, wo ist die Nummer fünfzehn. OK, das ist ja doch noch ein Stück weiter, ich hätte ja doch noch in dem Bus bleiben können. Nun gut, dann gehe ich eben an den Erdbeerfeldern vorbei, genieße den Duft – es riecht wirklich nach Erdbeeren dort – und überlege mir, ob ich da nicht hinfahren kann, um ein paar Erdbeeren zu pflücken. Es scheint ein Feld zum Selberpflücken zu sein. Ich komme in Worzeldorf an und sehe, es gibt keine Nummer 15. Ich sehe nur die Nummer 11 und die Nummer 9, aber keine Nummer 15. Die müsste irgendwo auf dem Erdbeerfeld sein. Ich fange an, mir Sorgen zu machen. Gut, ich könnte jetzt hin und her überlegen, was tue ich, aber ich rufe lieber unseren Bürgermeister Christian Vogel direkt an. Was mache ich falsch, warum finde ich keine Nummer 15? Er hat die Lösung parat! Es ist die 151, zu der ich muss. Mir fehlte eine 1! Ok, also den ganzen Weg wieder zurück, kommt mir ja sehr gelegen, ich möchte ja viele Schritte machen.

Im Herzen von Herpersdorf

Bürgermeister Christian Vogel wartet derweil im Schatten ganz in der Nähe der Bäckerei Gugel im Ortskern von Herpersdorf und ich freue mich sehr, als ich ihn dort entdecke. Nach einer kurzen Begrüßung erklärt er mir auch, warum wir uns genau hier treffen. Es ist zum einen im Herzen von Herpersdorf, wo er aufgewachsen ist und wo seine Mutter bis heute lebt. Zum anderen ist das Haus Nummer 151 in der Straße An der Radrunde eines der wenigen Häuser, die dort schon standen, als er als Kind dorthin zog. Natürlich hat er Erinnerungen an die Bäckerei. Die ist bis heute ein Handwerksbetrieb, in dem man auch seine Mutter kennt und sich riesig freut, dass der Bürgermeister zu Gast ist. Es werden sofort Selfies gemacht. Sebastian Gugel kommt raus und ich mache auch gleich ein Selfie mit ihm. Wir genießen in netter Atmosphäre einen super leckeren Erdbeerkuchen mit frozen Joghurt. Also vermutlich eine Sünde mit ganz wenigen Kalorien.

Christian Vogel auf Facebook

Wir unterhalten uns auch über Christian Vogels Präsenz bei Facebook. Die gab letztlich den Anstoß zu diesem Spaziergang. Mir gefallen seine Posts sehr und ich habe schon vermutet, dass er sie selber schreibt. Sie wirken sehr authentisch und kommen bei mir auf alle Fälle gut an. Ich bekomme Informationen und trotzdem wird er als Persönlichkeit spürbar, das ist eine klasse Kombination. Und tatsächlich, er bestätigt, dass er seine Posts selber schreibt, mit genau dem Ziel authentisch rüberzukommen. Das scheint ein Herzensthema für ihn zu sein. Finde ich klasse! Auch an dieser Stelle nochmal mein Kompliment. Ich lese gern weiter.

Fettnäpfchen? Nein!

Wir verlassen unser schattiges Plätzchen, gehen über die Straße, vorbei am Aldi-Markt auf der einen Seite und einem Seniorenheim auf der anderen Seite. Dort gibt es einen Bereich für betreutes Wohnen und ein Pflegeheim. Ich finde das Gebäude recht angenehm. Es wirkt luftig, steht mitten im Ortskern und im Erdgeschoss sind Geschäfte. Bürgermeister Christian Vogel berichtet mir, wie er dort vor einer Weile einer Hundertjährigen zum Geburtstag gratulieren durfte. Eine der dort lebenden Damen begrüßte ihn mit: „In Wahrheit sehen sie viel …“, dann kam eine lange Pause „… schöner aus“! Die Dame hatte gerade noch die Kurve gekriegt … Man spürt, dass Christian Vogel es genießt, mit Menschen zusammen zu sein und sich auszutauschen.

Unterschiedliche KiTas

Wir gehen weiter und kommen an der KiTa Herpersdorf vorbei, wo der Name mit Stoff an den Maschendrahtzaun geschrieben wurde. Alles wirkt sehr idyllisch. Es ist schattig, ein gepflegter Garten. Angesichts des lauschigen Plätzchens ziehe ich schon einen Vergleich mit dem Kinderladen, den ich in Gostenhof gesehen habe. Dort gab es eher weniger Sonne, es war weniger grün. Sicher geben sich die Menschen dort auch ganz viel Mühe, aber das Umfeld ist nicht so schön wie hier in Herpersdorf. Wir sind uns einig, dass man sehr darauf achten muss, dass Kinder überall ein gutes Umfeld finden. In der Nähe der KiTa, gleich ums Eck, ist noch ein schön gestalteter, öffentlicher Spielplatz. Bei der Wärme heute sieht man aber wenig Kinder, es ist Mittagszeit, ich denke der frühe Abend ist an diesem sonnigen Tag geeigneter für einen Besuch auf dem Spielplatz.

Geplante Stadtbahn

Wir gehen rechts herum und kommen zu einem breiten Grünstreifen, auf dem in vielleicht fünfundzwanzig oder dreißig Jahren eine Stadtbahn gebaut werden soll. Das ist natürlich extrem wichtig, denn der Individualverkehr wird langfristig der Schiene immer mehr weichen müssen. Aber jetzt ist dort ein grünes Idyll entstanden. Es gibt Spielmöglichkeiten, Entspannungsbereiche, wo man einfach eine Pause machen kann, Sitzgruppen. Es ist ein guter Ort. Man kann sich jetzt schon vorstellen, dass in fünfundzwanzig Jahren die Proteste dagegen beginnen, dass dort eine Stadtbahn gebaut wird. Aber es hilft ja nichts, die Menschen müssen ja auch von A nach B kommen.

Sozialer Wohnungsbau in Worzeldorf

Christian Vogel macht mich nach einer Weile darauf aufmerksam, dass wir jetzt von dem Bereich mit privaten Wohneigentum zum Bereich des sozialen Wohnungsbaus wechseln. Leider sieht man den Unterschied ganz deutlich an den Gebäuden. Das Eigene wird wohl doch aufmerksamer gepflegt und in dem sozialen Wohnungsbau sind eben die Wände nicht so schön gepflegt. Es gibt dies und das, was renovierungsbedürftig ist, und auch die Bepflanzung ist weniger liebevoll. Ja, schade, dass es solche Unterschiede immer noch gibt. Aber die Pflege kostet eben auch Ressourcen, die nicht in jedem Fall zur Verfügung stehen. Wir kommen an einen Spielplatz am Ende der Häuserreihe, der fast überwuchert ist von Gras. Es sieht nicht so aus, als ob Kinder hier gern spielen. Es ist absolut nicht einladend. Da kann man die Kinder verstehen, wenn sie den Spielplatz nicht nutzen mögen. Ich gehe auf diesen Spielplatz, um mir das anzuschauen. Währenddessen hat Christian Vogel schon die Kamera gezückt und macht ein Foto. Ich fand es sehr sympathisch, dass er das wohl gleich in seine Doing-Liste aufgenommen hat. Super, wenn auch dieser Spielplatz schöner wird! Es ist zwar kein öffentlicher, sondern ein privater Spielplatz. Aber trotzdem muss er erhalten und gepflegt werden – das ist verpflichtend. Nachtrag: Die Fachdienststelle hat den Fall inzwischen übernommen. 

Bäume für Babys

Wir machen dann noch einen kleinen Abstecher ins Grüne, noch weiter nach rechts. Dort ist nämlich ein Babywald. Es gibt in Nürnberg ein Projekt, in dessen Rahmen in jedem Jahr für jedes in der Stadt geborene Baby ein Baum gepflanzt wird. Das Projekt begann hier in Worzeldorf. Geplant waren im ersten Jahr 5.000 Bäume. Es wurden dann 5.300 Bäume, denn es gab in diesem Jahr erfreulicherweise mehr Nachwuchs als gedacht. Uns fehlte die Zeit, um zu dem Wäldchen zu gehen, aber hinter einer Tannen- oder Fichtenschonung konnte ich es immerhin verorten. Das Projekt wird fortgeführt. In unterschiedlichen Stadtteilen wurden diese Pflanzungen angelegt.

Bauland und Bestandsschutz

In dem Gebiet gibt es auch wunderschöne Grundstücke, die von den Besitzern wohl liebend gern zu Bauland gemacht werden würden. Aber da sagt die Stadt kategorisch nein. Ich denke, das ist auch gut so, denn sonst ist kein Ende in Sicht. Irgendwo muss die Natur ja auch erhalten bleiben. Die Grundstücke sind wunderschön gelegen und gleich dahinter ist das eigentliche Bauland. Die betreffenden Grundstücke bilden halt die letzte Reihe, deren jetzige Bebauung Bestandsschutz hat. Neues darf hier aber nicht mehr erbaut werden. Die Ecke ist wunderschön, gar keine Frage. Wie gut, wenn sie es auch weiterhin bleibt.

Denkmalschutz

Wir trennen uns aber dennoch von dem grünen Paradies und gehen wieder zurück in Richtung Herpersdorf. Wir wollen jetzt noch in den alten Ortskern oder Stadtteilkern gehen, kommen dabei aber am Gut Königshof vorbei, das in einem Landschaftsschutzgebiet liegt und zudem unter Denkmalschutz steht. Die Eigentümer haben schon versucht, den Denkmalschutzstatus für ein Nebengebäude aufzuheben, das wurde aber abgelehnt. Der Gutshof und das Gesindehaus sind renovierungsbedürftig, aber man darf ja die Hoffnung nicht aufgeben, vielleicht können die Gebäude des Anwesens ja gerettet und der Status des Landschaftsschutzgebietes erhalten oder sogar ausgebaut werden.

Der Ortskern von Herpersdorf

Durch das in der Sonne recht einsam wirkende Wohngebiet schlendern wir zum alten Ortskern von Herpersdorf. Es ist ruhig, wir haben auf diesem Stück des Weges ein oder zwei Menschen auf der Straße gesehen, kommen an einer Apotheke vorbei, auf die wir später noch einmal zu sprechen kommen, und sehen den Platz, auf dem früher Feste abgehalten wurden. Heute gibt es hier einen privaten Parkplatz, auf dem im Dezember der Weihnachtsmarkt stattfindet. Der Platz wird von den Eigentümern dafür zur Verfügung gestellt. Ein Stück weiter schlendern wir an einem Optiker, einem Bekleidungsgeschäft und an einer sehr schön gestalteten Metzgerei vorbei. Hier gab es früher eine Post, die inzwischen geschlossen wurde. Genau wie die Sparkasse von Herpersdorf, in deren Räumen heute nur noch ein Geldautomat, aber keine Geschäftsstelle zur Verfügung steht. Immerhin kommt man so zu Bargeld. Es ist wie überall, die Stadtkerne werden einsamer, die lokalen Angebote gehen zurück.

Es jedem recht getan …

Dann wenden wir uns wieder dem Weg zu unserem Ausgangspunkt zu, dem Haus der Bäckerei Gugel An der Radrunde 151. Wir gehen auf der linken Seite, weil die Straße rechtsseitig aufgrund von Straßenarbeiten nicht begehbar ist, unterhalten uns noch einen Moment darüber, dass die Menschen sich davon immer sehr gestört fühlen, genau wie von dem Bus, der vor kurzer Zeit durchs Wohngebiet umgeleitet wurde. Es gibt immer wieder Gründe für kritische Anmerkungen. Manchmal bringen Diskussionen die Welt ja sogar voran.

Worzeldorf: Der Kirschbaum des Apothekers

Die Kirschen aus Nachbars Garten

Schließlich kommen wir auf der linken Seite an dem Haus vorbei, das dem verstorbenen Apotheker und ehemaligen Besitzer der Apotheke, an der wir gerade vorbeikamen, gehörte. Seit dreißig Jahren steht dieses Haus leer. Inzwischen kann man es wohl nur noch abreißen. Ein Trauerspiel. Im Vordergarten dieses Hauses gedeiht ein großer Kirschbaum, an dem gerade die Kirschen reif werden. Christian Vogel bleibt stehen. Wir schauen uns den Baum an und der Bürgermeister erzählt mir, wie er früher – und wohl nicht nur er – verbotenerweise die Kirschen gepflückt hat. Lustigerweise hat der Apotheker in diesem Hause gar nicht gewohnt, sondern auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Christian Vogel: „Man hätte denken können, dass er mit dem Feldstecher immer nur den Kirschbaum im Visier hatte.“ Das Risiko, erwischt zu werden, gab es also durchaus und so erging es auch Christian Vogel.

Tomaten aus der Region

Wir verabschieden uns, ich vergesse unser gemeinsames Selfie, was ich unbedingt noch machen wollte, aber wir haben ja von Sebastian Gugel ein schönes Bild bekommen, das wir verwenden dürfen, und ich schaue nochmal bei Petra Maier-Haag vorbei, die hier ihren Blumenladen Flower Power hat, sage kurz Hallo, wende mich dann aber dem Gemüsestand zu, weil ich ja so gerne Gemüse und Obst einkaufe. Da lachen mich ganz preiswerte Tomaten an, die so schön aussehen, dass ich frage, warum die so preiswert sind? Ja, das seien halt die eigenen, war die Antwort. Das war wunderbar! Ich habe gleich alle gekauft und im Anschluss Tomatensuppe eingekocht. Eine großartige Tomatensuppe aus wunderbaren Tomaten aus der Region. Also herzlichen Dank an dieser Stelle nochmal an den Gemüseladen Brunner. Ich finde es wunderbar, wenn ich das Gemüse direkt beim Erzeuger einkaufen kann. Besonders wenn es von so guter Qualität ist!

Mein siebzehnter Nachmittag für Texthaus trifft Nürnberg hat mir viele neue Aspekte eröffnet. Ein großes Dankeschön an Bürgermeister Christian Vogel und die Menschen, die wir auf unserem Weg trafen. Wer dazu Anmerkungen hat oder mir auch einen Nürnberger Stadtteil zeigen möchte, schreibt mir bitte eine E-Mail. Ich würde mich freuen!