Eibach
Eigentlich wollte ich mit der S-Bahn nach Eibach fahren, aber durch einen Zufall entschied ich mich im letzten Moment für U-Bahn und Bus. Das hätte auch super geklappt, wenn ich einfach der App vertraut hätte. Nur sah es an der passenden Bushaltestelle so gar nicht nach Bahnhof aus, dass ich nicht ausstieg. Nun gut, im Vorbeifahren konnte ich dann noch einen Blick auf den Bahnhof werfen, musste dann aber ein ganzes Stück zurücklaufen. Aber solche Eskapaden sind ja ideal, um die Welt kennenzulernen. Endlich am Bahnhof angekommen, entdeckte ich auch gleich Wolf Maser, der mich beruhigte: Meine Verspätung übertraf die der S-Bahn nur unbedeutend. Ufff! Glück gehabt!
Bahnhof Eibach in Röthenbach
Damit, so erfahre ich nun, war ich aber noch nicht einmal in Eibach angekommen. Der Bahnhof Eibach liegt nämlich im benachbarten Stadtteil Röthenbach, nicht in Eibach. Wer weiß, vielleicht klingt Eibach ja einfach prägnanter? Wir entscheiden uns, großzügig zu sein und die Grenzen der Stadtteile bei Bedarf ebenfalls großzügig zu ignorieren. Doch jetzt wenden wir uns direkt dem ersten Ziel unserer Texthaus trifft Nürnberg-Route zu und stehen kurz darauf vor dem Schulzentrum Südwest, zu dem die Peter-Henlein-Realschule und das Sigmund-Schuckert-Gymnasium gehören. In der Elternschaft des Gymnasiums engagierte Wolf Maser sich über lange Jahre. Auch heute – nachdem seine Kinder die Schulzeit längst hinter sich haben – ist er noch im Freundeskreis aktiv, der Aktivitäten des Gymnasiums unterstützt, deren Finanzierung sonst nicht möglich wäre.
191-Millionen-Bauvorhaben Schulzentrum Südwest
Apropos Finanzierung. Ich bin beeindruckt von dem riesigen Bauvorhaben, dessen erste Maßnahmen wir bei den Sportanlagen schon sehen können. Als wir vor dem Eingang des Schulzentrums Südwest stehen, berichtet Wolf Maser mir von den Dimensionen dieses Bauprojekts: Nach nur 45 Jahren macht eine Sanierung keinen Sinn mehr. Der Neubau für etwa 191 Millionen Euro ist wohl wirtschaftlicher. 2.500 Schülerinnen und Schüler besuchen die beiden Schulen, was diese enorme Summe sicher ein wenig relativiert. Trotzdem bin ich von diesen Kosten beeindruckt. Das Projekt ist das größte kommunale Bauvorhaben in Nordbayern. Im September 2021 ist der erste Spatenstich geplant, sieben Jahre später soll alles fertig sein. Noch verläuft alles planmäßig.
Berufsbildungswerk und eine Furt am Landgraben
Schräg gegenüber geht es vorbei am Berufsbildungswerk Bezirk Mittelfranken. Dort geht es ums Lernen, Arbeiten, Wohnen und Miteinander-Leben von Menschen, die einen Förderbedarf im Bereich Hören, Sprache, Lernen haben. Auf der Wiese vor dem Eingangsbereich steht eine tolle Blumenkübelkreation aus Holz mit Sitzgelegenheiten. Das gefällt mir ausnehmend gut – ein lauschiges Plätzchen. Wir biegen links herum in das Sträßchen „An der Wied“ ein, das parallel zum Röthenbacher Landgraben verläuft, einem kleinen Bächlein mit hübschen Überraschungen am Ufer. Die erste Überraschung ist die kleine Furt durch den Landgraben. Ein paar steinerne Stufen führen hinab in den moddrigen Bachlauf, auf der anderen Seite geht es genauso wieder hinaus. Ich verzichte lieber auf den Spaß, denn ausgerechnet heute trage ich feste Schuhe. Wolf deutet auf den Schmodder im Bach und unterstützt meine Entscheidung, die Furt nicht zu queren.
Muschel, Saat und Edelstahl
Wolf Maser gestand mir schon zum Beginn unserer Eibach-Tour, dass er auch nach 30 Jahren in dem schönen Stadtteil bestimmt einiges nicht kennt. Was überhaupt nicht stört, denn vieles entdeckt man unterwegs sowieso gemeinsam. Beidseits des Landgrabens sind es zum Beispiel die kleinen Beete, auf denen Blumen angesät wurden. Wir vermuten ein Schulprojekt, da die Schrift auf den Schildern so wirkt, als hätten Kinder sich Mühe gegeben, schön zu schreiben. Auf Klatschmohn, Hahnenfuß und andere Blüten darf man hier gespannt sein. Es geht an kleinen Spielplätzen mit schönen Holzgeräten vorbei, wir werfen einen wertschätzenden Blick auf die Handläufe in der Unterführung, die wohl aus Edelstahl sind und vermutlich ein paar Jährchen halten werden, und wir freuen uns über die Blumenkästen an den Brückengeländern. Wir vermuten, dass sich SÖR darum kümmert. Eine Freude für das Auge und für die Seele! Und dann entdecken wir auch die Muschel der Jakobswegs. Was mich an meinen Plan erinnert, mich irgendwann mal auf die Wanderreise zu machen.
Brennholz zu verkaufen
Nach der grünen Erholung geht es bald ein kurzes Stück durch Röthenbach. Links das malerische Angebot „Brennholz zu verkaufen“, rechts die KultUhr im Uhrturm auf dem Dach des Kulturladens Röthenbach, der seine Heimat im ehemaligen, bereits 1877 erbauten Schulhaus samt dem 30 Jahre später gebauten sogenannten Neubau gefunden hat. Wir spähen über den Zaun des Abenteuerspielplatzes, der unter schönen Bäumen viel schattigen Freiraum und jede Menge Holz für kreative Projekte bietet. Ein paar Schritte weiter geht es auf der gleichen Straßenseite zum Russisch-Deutschen Kulturzentrum, das ein wenig seitab liegt, meinen Blick aber sofort auf sich zieht, weil an der Straße Blumenkunst aus bunten Felgen und Schläuchen zu entdecken ist.
Brücken und Kartenspieler im Faberwald
Uns führt der Weg jetzt in den Faberwald. Der stand auf meiner Wunschliste, denn ich habe es noch nie bis hierher geschafft! Hier ist es an diesem sonnigen Tag wunderbar schattig. Viel los ist an diesem Dienstag nicht, aber man kann sich gut vorstellen, dass sich hier an den Wochenenden viele Familien erholen. An diesem Tag treffen wir auf eine Gruppe gestandener Herren, die sich unter den hohen Bäumen in einer der Sitzgruppen niedergelassen haben und Karten spielen. Leider darf ich sie bei ihrem Vergnügen nicht fotografieren. Das mehrstimmige „Nein“ war ebenso spontan wie entschieden. Im Faberpark stoßen wir übrigens wieder auf einen alten Bekannten, den Röthenbacher Landgraben, der nun aber ganz andere Dimensionen erreicht, bevor er später in die Rednitz mündet. Sehr hübsch sind die Teiche, die drei Brücken recht unterschiedlich. Das Highlight ist für mich die mittlere Brücke mit der künstlichen Insel und dem romantischen Dornröschentor, das sicherlich einen ganz anderen Namen trägt. Wenn es denn überhaupt einen hat.
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Graffiti an der Faber-Mauer
Am Rande des Parks überrascht Wolf mich mit einer besonders bunten Sehenswürdigkeit! Die Mauer um das Faber-Gelände ist nämlich ein wunderbar lebendiges Kunstobjekt: Hier wird gesprayt! Und wir treffen sogar auf zwei Künstler, die hier gerade ihre Farbdosen schütteln und loslegen wollen. Wir fragen die beiden natürlich sofort aus. Zum Beispiel nach der Lebensdauer der Kunstwerke. Denn hier dürfen sich alle kreativ austoben, denen der Sinn nach Graffiti steht. Doch wo findet man ein Plätzchen, wenn doch die ganze lange Wand schon in den buntesten Farben leuchtet? Ganz einfach: Man darf einfach drüber sprayen. Welche Kunstwerke der Schaffensfreude der Nachfolger zum Opfer fallen, ist eine persönliche Entscheidung der Sprayer. Wenn ein Werk als nicht so gelungen angesehen wird, wenn es schon Schäden durch Übermalungen zeigt oder vom Zahn der Zeit angenagt wurde, dann kann das den entscheidenden Impuls dazu geben, dass dieses Werk unter einem neuen verschwindet. Wie schade, dass die Wand endlich ist. Doch wer weiß, vielleicht erhöht die Endlichkeit ja den Reiz des Sprayens?
Häuschen, Häuser, gutes Leben
Vorbei an nahezu rosa angesprühten Pflanzen am Wegesrand, an letzten beeindruckenden Bäumen mit datierten Altersangaben und bunter Gartenkunst schlendern wir an gepflegten Gärten und ebensolchen Häuschen und Häusern vorbei. Hier lässt es sich bestimmt gut und ruhig leben. Unterwegs fällt uns eine große Wiese auf, eine Baulücke. Das muss man sich leisten können, lautet Wolfs Kommentar. Ich muss grinsen ob seines trockenen Humors. Wir sehen späte Pfingstrosen, Wolf versorgt uns mit Coffee-to-go, ich habe Kuchen dabei und so nehmen wir Platz auf einer der Betonbänke vor der katholischen Kirche St. Walburga. Wolf erzählt mir von seiner beruflichen Karriere, seinen Kindern – seine Tochter hat Japanologie studiert und übersetzt Mangas – und von seinem Engagement im Rahmen des Wettbewerbs „5-Euro-Business“: Als Wirtschaftspate begleitet er die friedrich & elise GbR, die eine Lebkuchentastingbox entwickelt hat. Was für eine leckere Idee! Und was für ein schönes Engagement. Ich finde es super und sehr verantwortungsbewusst, dass Wolf sich so vielseitig in das gesellschaftliche Leben einbringt.
Blauer Himmel – draußen und drinnen
Wir schlendern weiter, werfen noch einen Blick in die Kirche St. Walburga. Die blau gestrichene Decke über dem Altarraum wetteifert mit dem Sommerhimmel über Eibach um den schönsten Blauton. Die katholische Gemeinde, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Pfarrjubiläum begeht, kann sich glücklich schätzen, so ein klar strukturiertes, heute angenehm kühles und helles Gotteshaus zu besitzen. Natürlich wollen wir auch noch in die St.-Johannes-Kirche schauen und öffnen neugierig das schöne Portal. Innen scheint sich gerade eine Konfirmandengruppe zu treffen und wir gehen leise wieder hinaus. Jetzt schlendern wir noch am wunderschön restaurierten Schwarzen Adler vorbei, der früher ein gastronomischer Betrieb war, heute hingegen Büroflächen beherbergt, studieren die Firmenschilder und wenden uns dann eiskalt irdischen Genüssen zu. Die Lieblingseisdiele der Familie Maser ist unser Ziel und wir beschließen diesen schönen Nachmittag mit Himbeereis – und am Ende dann auch mit ein wenig Hektik! Mein Bus kommt so bald, dass ich Wolf den fast leeren Eisbecher zwecks Entsorgung mit größtem Bedauern in die Hand drücke und in den Bus springe. Daher folgt mein Dank für diese wunderbare Texthaus trifft Nürnberg-Tour an dieser Stelle: Herzlichen Dank für Vorbereitung, Infos, gute Laune und Himbeereis, lieber Wolf, und vor allem für deine Zeit! Es war ein großartiger Tag!