Margaret Devaney Jankowsky – 1. Juni 2021

Texthaus trifft Nürnberg mit Margaret Devaney Jankowsky

Südstadt

Mit Margaret Devaney Jankowsky treffe ich mich auf der Brücke am südlichen Ausgang des Handwerkerhofs. Von hier aus fällt der Blick auf den Hauptbahnhof, der samt der von Ost nach West verlaufenden Bahnstrecke ja tatsächlich so etwas wie eine Grenze zwischen der Südstadt, in der Margaret lebt, und der Altstadt, in der ich lebe, bildet. Ist es nicht eine zauberhafte Geste von Margaret, mich sozusagen zu Hause abzuholen und mitzunehmen in ihren Stadtteil?

Der Klang der Fuge und das Karl-Bröger-Haus

Gemeinsam überqueren wir den Frauentorgraben und gehen nicht etwa durch die Celtisunterführung, sondern durch den Karl-Bröger-Tunnel gen Süden. Noch auf der nördlichen Seite des Tunnels werfen wir einen Blick auf den Salon Wurzer, der schon aufgrund seines besonderen Ladengeschäfts eine im Wortsinne kleine Berühmtheit ist. Doch wir wollen ja in den Süden! Im Tunnel zeigt sich Nürnberg von seiner kreativen Seite: Wir lauschen eine Weile den Klängen der Installation von Wilfried Baumann. Der Klang der Fuge – besser gesagt der drei Doppelfugen – fasziniert uns. Solche Erlebnisse wünscht man sich. Und als wir den Karl-Bröger-Tunnel verlassen, erschließt sich mir auch die Kennzeichnung der Rad- und Fußwege. Wieder in der Sonne, fällt der Blick sofort auf das imposante – und rosafarbene! – Karl-Bröger-Haus. Hier ist in Nürnberg die SPD zu Hause. Auch Margaret engagiert sich in der SPD für ihren Stadtteil. Sie kennt wirklich spannende Winkel und weiß viel Interessantes und Besonderes zu berichten, wie ich jetzt erleben werde.

Forum und Paradies

Der Weg führt uns weiter nach Süden, in Richtung Aufseßplatz. Ich kann nicht anders und muss ständig in die Höfe schauen. Die sind oft reizvoll, idyllisch und besonders. Oder manchmal einfach nur grüne Oasen. Ein Blick nach rechts in die Bogenstraße fällt auf das Südstadtforum. Neben den vielen Veranstaltungen gibt es dort, sofern es aufgrund der Pandemie nicht gerade zu Einschränkungen kommt, auch einen sehr preiswerten Mittagstisch, den jeder nutzen darf, der Hunger, Appetit oder einfach Lust auf Essen in Gesellschaft hat. Dass sich hier zumindest in der Theorie jeder mit jedem treffen kann, gefällt mir gut. Ich werde es bei Gelegenheit ausprobieren. Und am Eck kommen wir am Paradies vorbei. Das Paradies ist Deutschlands zweitältestes Travestie-Theater. Und ich war auch dort noch nie. Margaret auch nicht. Wenn wieder geöffnet wird, werden wir das ändern. Ich freu mich auf einen schönen Abend!

Sonnenschein am Aufseßplatz

Vergessen wir ob der Pläne nicht unser eigentliches Ziel, den Aufseßplatz! Dort tobt das Leben im Süden der Stadt. Am letzten Wochenende waren hier Hunderte Menschen und genossen das herrliche Wetter, erzählt Margaret. Auch heute flanieren und sitzen hier viele Menschen jeden Alters. Viele Kinder sind darunter, der Spielplatz lockt und sicher auch das eine oder andere Eis. Wer in einer nicht allzu großzügigen Wohnung lebt, findet hier einen Ausgleich. Bänke, Cafés und die Sonne laden zum Entspannen ein. So fühlt sich auch die Atmosphäre auf diesem lebendigen Platz an: einfach entspannt. Wir gehen weiter und werfen einen Blick auf das Areal, auf dem früher der Schocken stand. Über Jahrzehnte war der ehemalige Kaufhof ein wichtiger Mittelpunkt der Südstadt. Lange war nicht klar, was mit dem Gebäude geschehen sollte. Inzwischen wurde es abgerissen und öffnet Raum für Neues. Margaret ist froh, dass die Situation geklärt ist und nun Neues entstehen kann. Ich schaue durch und über den Zaun, bin beeindruckt von der Geschäftigkeit dahinter und auch ein wenig neugierig, in welches Gewand sich die städtebauliche Zukunft wohl hüllen wird.

Bauernladen und blühender Mohn

Wo die Wölckernstraße zur Landgrabenstraße wird – oder umgekehrt – schlendern wir weiter in Richtung Kopernikusplatz. Gemüsestand, Bauernladen, Bäckerei und Pizzeria laden zum Shoppen und Genießen ein. Das gefällt mir, die ich in der südlichen Altstadt in Sachen Lebensmitteleinkauf mit deutlich geringerer Vielfalt auskomme, wenn ich nicht gerade Richtung Hauptmarkt gehen möchte, außerordentlich gut! Noch reiße ich mich zusammen, denn es ist recht warm. Aber versprochen: Auch auf dieser Tour werde ich wieder einkaufen. Wir kommen vorbei an blühendem Mohn, biegen rechts in die Humboldtstraße ein, wo mich ein Haus mit Balkonen im Stil der 50er- oder 60er-Jahre begeistert, und bewundern Baumscheiben, die hier an vielen Stellen sehr engagiert begrünt werden.

So viel Grün im Süden Nürnbergs – fantastisch!

Es erstaunt mich sehr, wie grün es in der Südstadt ist. Nach meinem Empfinden ist es viel grüner als in der Altstadt. Ich genieße das sehr! Margaret macht mich auf die vielfach sehr liebevoll gepflegten Baumscheiben aufmerksam. Sogar Totholz darf hier ab und an liegenbleiben und zur Freude von allerlei winzigem Getier seine ökologische Mission erfüllen. Das habe ich noch in keinem anderen Stadtteil gesehen. Himmlisch ist auch die Vogelwohnsiedlung von Carly Schmitt. Im luftigen Bauhausstil hängt eine Siedlung von Nistkästen hoch über der Straße. Diese künstlerische Bauminstallation ist heute wortwörtlich mein persönliches Highlight – was für eine Idee!

Gelb und lecker!

Für eine wunderbare Pause lädt Margaret mich in das Coffee Project mit dem sprechenden Namen YELLOW TILE ein. Denn nicht nur leckerer Kaffee, feine Kuchen und freundliche Menschen sind hier Programm, sondern auch die gelben Fliesen an den Wänden. Sie strahlen eine so sonnige Freundlichkeit aus, dass man sofort weiß, dass man wiederkommen wird. Und was ich ja so gern mag, sind gelebte Farbkonzepte. Das klappt hier im Süden ganz super. Schon neben der Eingangstür lädt eine gelbe Fliese mit einem netten OPEN zum Eintreten ein. Wir sitzen eine Weile im Garten, genießen Kaffee und Kuchen. Und Margaret erzählt mir, warum sie hier so gern wohnt. Von Stein ist sie hierhergezogen, hat sich mit ihrem Mann nach der Familienphase vom großen Haus verabschiedet und sich in der Südstadt eine Wohnung gekauft. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Immobilienpreise explodierten. Sie ist mit dieser Entscheidung sehr glücklich. Einerseits haben sie alles, was man braucht, in nächster Nähe. Geschäfte, Kultur, medizinische Versorgung und vor allem Menschen, die trotz aller Unkenrufe in diesem Viertel sehr unaufgeregt miteinander leben.

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Kunst auf der Straße

Wir starten wieder durch und bewundern erst einmal die Tür und die aufwendig gestaltete Fassade eines gepflegten Hauses auf der anderen Straßenseite. Aber nicht lange, denn wir werden von den Kunstobjekten in der Humboldtstraße abgelenkt. An der nächsten Ecke hat die Künstlerin Petra Krischke ihr Humboldt Atelier und bespielt auch den öffentlichen Raum. Klasse! So kommt die Kunst zu den Menschen. Natürlich drücken wir uns an ihren Schaufensterscheiben die Nasen platt und lassen ihre Bilder auf uns wirken. Danach werden wir aber wieder pragmatisch. Margaret weiß, dass ich es liebe, Lebensmittel einzukaufen, und zeigt mir Feinkost Höhn, einen sehr besonderen Laden in der Voltastraße. Dass es in diesem kleinen Laden solch eine Auswahl gibt, ist unfassbar! Ich entdecke Tilsiter in der kleinen Käsetheke. Der muss natürlich mit. Ich liebe Tilsiter! Und dann der Rhabarber – ideal für einen Krümelkuchen. Ab Donnerstag gibt es immer frisches Geflügel und frischen Fisch. Schon gemerkt. Hoffentlich schaffe ich es demnächst mal an einem Donnerstag hierher.

Im Süden
Im Süden entstehen Fahrradstraßen

Fahrradstraße – ob das klappt?

Nach dem kleinen Einkauf entdecken wir einen süßen, kleinen Hund im Erdgeschossfenster eines Mehrfamilienhauses. Ja, ich weiß, dass man die Fenster anderer Menschen nicht unbedingt fotografieren sollte. Aber das Bild dieses verwegen blickenden Zeitgenossen ist absolut unverzichtbar – und daher nun auch im unteren Slider zu sehen. Vorbei an verschiedenen Siemens-Gebäuden, der Konzern ist in der Südstadt sehr präsent, erreichen wir dann die Baustelle, an der die Wandlung der Humboldtstraße zur Fahrradstraße bereits sichtbar wird. Ich bin ja ein wenig skeptisch, was dieses Konzept angeht, stimme aber auf alle Fälle Margaret zu, die meint, dass es guttun würde, wenn alle Verkehrsteilnehmer auf die Schwächeren Rücksicht nehmen würden. Vielleicht sind die Fahrradstraßen ja wirklich ein Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. Ich bin gespannt. Wenige Meter weiter begeistert uns das herrlich begrünte Haus in der Humboldtstraße 15. Es ist ein weiterer Beitrag zu dem grünen Reigen im Süden der Stadt, der mich zunehmend begeistert. Ich weiß gar nicht mehr wie, doch plötzlich inspiriert uns das Stadtgrün zu der Idee eines kollektiven Schrebergartens! Fünf oder sechs Personen wären klasse. Arbeit, Kosten, Freude und Ernte werden geteilt. Margaret und ich wären schon mal zwei. Wer Lust zum Mitmachen hat, meldet sich einfach bei uns. Dann fehlt nur noch das Gärtchen. Aber das wird sich schon finden. Denn Margaret und ich haben jetzt ein Projekt. Ein Schrebergarten-Projekt!

Grün, bunt, idyllisch – der Süden der Stadt!

Grüne Winkel, bunte Häuser, idyllische Hinterhöfe und das freundliche Büchertauschregal am Kopernikusplatz säumen unseren Weg zu Margarets Lieblingshaus. Das ist ein wunderbares Eckhaus mit beeindruckender Fassade. Ein Traum in Sandstein und Lindgrün. Und gegenüber eine feine Konditorei und feine Kost in einer Metzgerei. Auf den letzten Metern in Richtung Bahnhof bewundern wir noch einige schöne und auch gediegene Höfe – bis ich auf der anderen Straßenseite plötzlich das Kunstatelier ART 90459 sehe. Ich habe schon vor längerer Zeit davon gehört, es aber nie hierher in die Räume von Jeanett Mayer – yani art – und ihrer Mitkünstlerin Margarita Zippel geschafft. Liebe Jeanette, ich habe nun die allerallerbesten Vorsätze! Nichtsdestotrotz trennen wir uns endlich von dem Schaufenster mit seinen Schätzen, am Nelson-Mandela-Platz dann von der Südstadt und auf der anderen Bahnhofseite auch voneinander. Doch jetzt haben wir ja ein Projekt und sehen uns bestimmt bald wieder!