Jetzt fehlen nur noch neue Jobs

Produziert für: Franken-Magazin 02/2010

Am Abend des 1. Februars 2010 standen auf der Bühne des Stadttheaters ehemalige Mitarbeiter von Primondo und Quelle. Für sie wurde die Bühne zu einem Raum, in dem nur ihre Erinnerungen und Gefühle, nur ihre Ängste und Hoffnungen von Bedeutung waren.

Noch ist der Vorhang geschlossen. Vor dem roten Samt steht ein einsamer Stapel Kataloge. Quelle-Kataloge. Denn um die Quelle geht es an diesem Montagabend im Stadttheater Fürth. Um die Quelle GmbH, um die Primondo GmbH und vor allem um die ehemaligen Mitarbeiter der insolventen Unternehmen. Etwa 4.000 Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren. Acht von ihnen wagen den Schritt auf die Bühne. Machen öffentlich, was sonst zwar immer ein Politikum ist, aber meist im Privaten ertragen wird – Arbeitslosigkeit und Ohnmacht.

Einen von den Katalogen würde die ältere Dame neben mir übrigens gern mit nach Hause nehmen. Als Souvenir. Nein, sie selbst sei nicht bei der Quelle gewesen. Aber schließlich sei ja die ganze Stadt betroffen. Deswegen erwarte sie auch, dass Fürths Oberbürgermeister an diesem Abend zu den Menschen spricht.

Der Vorhang geht auf. Kataloge – Souvenirs im Wortsinne – stehen stapelweise unter Hockern. Und in der Mitte der Karton mit dem blauen Quelle-Klebeband. Keiner der ehemaligen Quelle- und Primondo-Mitarbeiter muss selbst auf die Bühne treten. Wer möchte, kann seinen Text von einem professionellen Schauspieler vortragen lassen. Doch die meisten ergreifen selbst das Wort. „Manche haben erst im Laufe des ersten Gesprächs festgestellt, dass sie das selber machen wollen“, sagt Theaterpädagoge Johannes Beissel, der die Idee zu diesem Projekt hatte. Die Idee zu diesem Abend, der keine ideologische Stellungnahme sein soll, sondern ein Forum für die Menschen. „Dieser Abend ist eine der letzten Möglichkeiten zur Verarbeitung der Ereignisse, ein würdiger Rahmen für die Trauerarbeit. Das Projekt ist aber auch eine Gelegenheit, seinen Stolz zurückzubekommen.“

Als erster Quelle-Mitarbeiter tritt Josef Bößl auf die Bühne. Schauspieler Hannes Seebauer liest seine Erinnerungen an den Tag, an dem der Sachbearbeiter die Blumen neben der Auferstehungskirche in kräftigen Farben leuchten sah – bevor er damit konfrontiert wurde, dass er ab dem 1. November 2009 freigestellt sei. Freigestellt. Josef Bößl und Hannes Seebauer treten schließlich gemeinsam in den Hintergrund. Mit ruhiger Geste legt der Schauspieler dem Sachbearbeiter die Hand auf den Rücken. Und drückt damit vermutlich aus, was wohl auch die Dame neben mir mit ihrem Besuch des Theaterabends zum Ausdruck bringen möchte: Solidarität.

Für viele der Menschen, die an diesem Abend auf der Bühne stehen, war die Firma über lange Jahre ein wichtiger Teil ihres Lebens. Mit dem Verlust geht jeder auf seine Weise um. Winfried Lernet arbeitet mit Klangschalen, um die Veränderung in seinem Leben besser verarbeiten zu können. Lisa Hallmeier reagiert in ihrem Text mit bittersüßer Ironie. Sibylle Mantau setzt kraftvoll ein Quelle-Medley in Szene. In einer türkisfarbenen Kittelschürze tritt sie auf die Bühne …

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