Erzählkunst

Produziert für: Franken-Magazin 02/2009

Früher hat man sich was erzählt. Heute lässt man sich was erzählen. Bestenfalls.

Erinnern Sie sich an die Geschichten, die Ihnen als Kind erzählt wurden? Nein? Ute Weidinger kann sich auch nicht so recht daran erinnern. Der Faszination des Erzählens ist sie dennoch mit ganzer Seele erlegen. „Ich habe das Erzählen als Erwachsene zum ersten Mal erlebt – und wusste sofort, das muss ich machen.“ Schon als Schülerin stand sie gern auf der Bühne. Was lag also näher, als das Erzählen zu erlernen? Ute Weidinger besuchte Seminare, begann sich und das Erzählen auszuprobieren.

Inzwischen hat sie gemeinsam mit Michl Zirk die GeschichtenErzählKunstKOmpanie GEKKO gegründet. Die beiden Erzähler entführen regelmäßig ein begeistertes Publikum in die Welt der Märchen, Fabeln, Sagen, Mythen und Geschichten und eröffneten gemeinsam sogar die Nürnberger ErzählBühne, einen Veranstaltungsort „nur“ für Erzählkunst. Zahlreiche Projekte wie beispielsweise das ZauberWort Erzählkunstfestival runden das Engagement der beiden ab. „Das Erzählen“ sagt Michl Zirk, „ist eine der wenigen Kunstformen, bei der man mitmacht, ohne etwas tun zu müssen.“ Michl Zirk war zehn Jahre Dramaturg beim Theater Mummpitz und entwickelte „so nebenher“ ein eigenes Erzählprogramm. Den ersten Anstoß gaben knappe Ressourcen. Statt fünf Schauspielern standen manchmal nur noch zwei auf der Bühne. Zwei aber können nicht alles darstellen, müssen oft auf das Erzählen zurückgreifen. Der Dramaturg war gefordert – und verfiel der Faszination des Erzählens.

Doch worin liegt die Anziehungskraft des Erzählens? Widerspricht es doch eigentlich dem Zeitgeist. Ute Weidinger, die zwar noch auf der ErzählBühne auftritt, sich aus ihrer Rolle als Veranstalterin aber zurückgezogen hat, um sich ganz dem eigentlichen Erzählen zu widmen: „Alles wird schneller, alles wird unwahrscheinlich anstrengend. Das Erzählen ist dem Menschsein angemessener.“ Wahrlich, denn das Erzählen kann durchaus als eine Urform des Informationsaustausches betrachtet werden. Die mündliche Überlieferung spielte auch in unserer westlichen Kultur sehr lange eine wichtige Rolle. Es ist noch keine 200 Jahre her, dass die Brüder Grimm in ihrer Sammlung der Kinder- und Hausmärchen die bis dahin mündlich überlieferten Märchen aufzeichneten. An die Stelle des Erzählens traten mehr und mehr das Lesen und das Vorlesen.

Während der weiter zunehmende Konsum des geschriebenen Wortes, des Romans und anderer unterhaltender Lektüre die Rezeption zwar individualisierte, aber das persönliche Kino im Kopf des Lesers noch nicht ausschaltete, deutete sich mit Bänkelsang und Moritat schon ein wenig an, dass die Bilder in Zukunft kollektiv werden sollten. Lange bevor die Bilder laufen lernten, erzählten die Sänger der balladenhaften Moritaten ihre Schauder- und Rührstücke vor illustrierten Tafeln.

In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts setzten Bertolt Brecht und Kurt Weill der Moritat in der Dreigroschenoper zwar noch ein Denkmal, doch verschwanden die Moritatensänger von den Jahrmärkten. Kino, Illustrierte und später das Fernsehen lieferten nun die Bilder. Schnelle Bilder, schnelle Schnitte, die dem…

Wenn Sie weitere Arbeitsproben lesen möchten, senden Sie mir gern eine E-Mail.